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Kleegras und Luzerne als Proteinergänzung für Milchkühe

Grasprodukte spielen in der Verfütterung an Kühe nach wie vor eine große Rolle. Hier rücken, vor allem unter dem Gesichtspunkt der Verbesserung der Eiweißversorgung und -qualität, Grobfutter wie Luzerne oder Kleegras in den Vordergrund.

Eine ökonomische Milcherzeugung setzt eine qualitativ hochwertige Grobfutterproduktion voraus. Hier stehen neben den allgemeinen Qualitätskriterien des Silier- und Silagemanagements und der Energiekonzentration der Ertrag an Eiweiß und dessen Qualität zunehmend im Fokus.

Im Rahmen der hessischen „Initiative gentechnikfreie Fütterung“ wird daher neben dem Optimierungspotential der größten Proteinquelle „Grünland“ auch die Frage des Potentials in der Verfütterung heimischer kleinkörniger Leguminosen wie z.B. Kleegras oder Luzerne für die Wiederkäuerfütterung diskutiert. Dies betrifft auch die Ab- und Umbauprozesse des Proteins in den Grobfutterkonserven, die zukünftig stärker berücksichtigt werden müssen, wenn mehr „Netto (-protein) vom Brutto“ für die Fütterung in der Rinderhaltung generiert werden soll.

Was diese Futtermittel so interessant macht und was es zu beachten gilt, stellt Thomas Bonsels vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) vor und gibt Tipps zum praktischen Einsatz.

Luzerne & Co.

luzerne_webLuzerne ist universell einsetzbar sowohl bei Milchkühen als auch Mastbullen. Aufgrund der guten Strukturwirkung passt Luzerne sehr gut zu maisbetonten Rationen. Die Konservierung ist als Silage, Heu oder Trockengut möglich. Allerdings zählt Luzerne aufgrund des geringen Zuckergehaltes (ca. 65 g/kg TM [Trockenmasse]) und der hohen Pufferkapazität (79 g MS/kg TM) zu den schwer silierbaren Futtern. Zur Verbesserung der Vergärbarkeit sollte mit einem Walzen-Aufbereiter gearbeitet und entsprechend angewelkt werden. Walzen-Aufbereiter knicken die Halme ohne das „feine“ Siliergut mit den Blattanteilen zu zerreißen. Die lockere Ablage fördert den Trocknungsprozess. Allerdings hat das Anwelken aufgrund der damit zunehmenden Bröckelverluste seine Grenzen. Ein Mischanbau mit zuckerreichen Gräsern wie z.B. Wiesenlieschgras zur besseren Vergärbarkeit kann hier Abhilfe schaffen.

Zur Konservierung von Luzerneheu empfiehlt sich eine Unterdach- oder künstliche Trocknung. Reine Luzernebestände als Silage sollten mit DLG-geprüften Silierhilfsmitteln – Wirkungsrichtung 1a, 1b, 1c – konserviert werden. Hinsichtlich möglicher Fruchtfolgeerkrankungen ist eine entsprechende Sortenwahl, eine weite Fruchtfolgestellung und eine 5–6-jährige Anbaupause zu beachten.

Im weitesten Sinn treffen die o.g. Kriterien auch für Kleegrasbestände zu. Der Zuckergehalt bei Rotklee liegt bei etwa 115 g und einer Pufferkapazität von 69 g MS/kg TM. Damit ist auch hier wie bei der Luzerne der Zucker/Pufferkapazität-Quotient unter der Mindestforderung von 2,0.

Die im Folgenden diskutierten Futter-Analysedaten von Luzerne- und Kleegras-beständen sind Teil eines mehrjährigen Projektes zum Anbau und zur Konservierung von „kleinkörnigen Futterleguminosen“ am Landwirtschaftszentrum LWZ Eichhof in Bad Hersfeld. Im Rahmen dieses Projektes wurde an Hand des Probenmaterials auch die Rohproteinfraktionierung am Landesbetrieb Hessisches Landeslabor (LHL) validiert.

„Nach Bedarf“ füttern

Entscheidend für die bedarfsgerechte Versorgung der Milchkühe ist u.a. ein aus-reichender Gehalt an nutzbarem Rohprotein (nXP) in der Gesamtration. Der Anspruch an den nXP-Gehalt der Ration ist leistungsabhängig. Dem geringen Bedarf für die Erhaltung (11,9 g nXP/Tier/Tag) steht ein deutlich höherer Anspruch an nXP für das Milcheiweiß gegenüber. Im Vergleich zur Erhaltung verdoppelt sich der Bedarf auf 22,8 g nXP/MJ NEL (Netto-Energie-Laktation) bei einer täglichen Milchleistung von knapp 40 kg je Kuh und Tag.

Grasprodukte erfüllen diese Anforderungen nur bedingt (Übersicht 1). Bei Zielwerten von 135 g nXP und einem Energiegehalt von ≥ 6,4 MJ NEL/kg TM werden beim 1. Schnitt knapp 22 g nXP/MJ NEL erreicht. Luzerne- bzw. Kleegrassilagen liegen hier höher, vor allem in den getrockneten Varianten wie Luzerne-Heu mit 26,1 und Luzernetrockengut mit 31,6 g nXP je MJ NEL.

Übersicht 1: Futterwert von Luzerne- und Kleegrasprodukten

XF XP nXP nXP NEL
Material g/kg TM je MJ NEL MJ/kg TM
Grassilage
1. Schnitt (Hessen 2015)
238 160 140 21,9 6,40
Luzerne-Silage
1. Schnitt i.d. Knospe
254 207 130 23,9 5,43
Kleegrassilage
1. Schnitt i.d. Knospe
260 175 135 22,8 5,91
Heu 309 100 114 22,4 5,10
Luzerne-Heu
1. Schnitt i.d. Knospe
276 192 135 26,1 5,18
Luzernetrockengut 269 184 162 31,6 5,13

(Quelle: DLG 1997, Scholz u. Engelhard 2014)

Berücksichtigt werden muss, dass die Verdaulichkeit der organischen Masse (OM) bei Luzerne mit Æ 60 – 66 % gegenüber Grassilage (Æ 77 %) oder Maissilage (Æ 75 %) deutlich geringer ist. Dies drückt sich in dem gegenüber der Grassilage geringeren Energiegehalt aus.

„Trocknen“ erhöht UDP-Anteil

Der Gehalt an nXP ist darüber hinaus auch vom Konservierungsverfahren, also der Art der Trocknung, abhängig. Gegenüber Silage kann mit der Heuwerbung oder der Heißlufttrocknung (Cobs) der Gehalt an pansenbeständigem Protein (UDP un-degradable protein) von Æ 15 auf 25 bzw. 40 % erhöht werden.

Vergleicht man die Futterleguminosen hinsichtlich der Konservierungsart, wird dies deutlich. In der Luzerne-Wiesen-Lieschgras-Variante „Heu“ ist der UDP-Anteil gegenüber der Silage-Variante knapp 48 % höher. Dies trifft auch für die Weißklee-Varianten in Kombination mit Wiesenschwingel zu. Der UDP-Anteil in Rotklee liegt nach Analyseergebnissen des LHL Kassel mit etwa 40 % schon auf einem sehr hohen Niveau, so dass es zwischen den Konservierungsvarianten in der Kombination mit Bastardweidelgras kaum Unterschiede gibt.

Proteinqualität sichern

Luzerne in RundballenHier gilt es, dem mikrobiellen Proteinab- und umbau vom Grünfutter zur Silage entgegenzuwirken. Unter dem Begriff Rohprotein werden alle stickstoffhaltigen Nährstoffe im Futter zusammengefasst. Dabei handelt es sich zum einen um Reinprotein-N und zum anderen um Nicht-Protein-Stickstoff-Verbindungen (NPN).

Grünfutter, Heu und auch Cobs enthalten etwa 75–90 % Reinprotein, Silage hingegen nur noch 20–50 % (Hoedtke et al 2010). D.h., dass es bedingt durch die mit dem Anwelken und Silieren einsetzenden proteolytischen und desmolytischen Prozesse zu einem Abbau von Reinprotein in der Größenordnung von 25–70 % bis zum Abschluss des Silierprozesses kommt. Dies ist vor allem für die Fütterung von hochleistenden Kühen von Interesse, da hier gegenüber Niederleistenden der Anteil an unabgebautem, dünndarmverfügbaren Protein (nXP) im Vordergrund steht.

Die im Pansen anflutenden NPN-Verbindungen, vornehmlich Ammoniak (NH3), können bei Energiemangel zu erhöhter NH3-Produktion und Absorption führen und eine massive Leberschädigung zur Folge haben.

Siliermittel stabilisieren

Weitere qualitätsmindernde Einflüsse können durch Fehlgärungen, vorwiegend proteolytischer Clostridien, verursacht werden. Es kommt zum Abbau von Aminosäuren hin zu biogenen Amiden, z.B. Histamin und Ammoniak. Histamin spielt als gefäßschädigendes biogenes Amin z.B. eine negative Rolle im Zusammenhang mit Klauenerkrankungen. Durch den Einsatz von Siliermitteln wie Lactobacillus casei bzw. Lactobacillus buchnerie konnte bei der Silierung von Wiesenschwingel die Bildung von biogenen Amiden um bis zu 90 % reduziert werden (Nishino et al., 2007). Einen Hinweis auf biogene Amide und damit auf den Konservierungsverlauf der Silage kann der Ammoniak-Gehalt der Silage geben, der unter 8 % NH3-N am Gesamt-N liegen sollte.

Proteinfraktionierung gibt Aufschluss

Grafik ProteinfraktionenDas „Cornell Net Carbohydrate and Protein System“ (CNCPS) unterscheidet fünf Rohproteinfraktionen. Fraktion A enthält die vorab angesprochenen NPN-Verbindungen und ist sofort und vollständig im Pansen verfügbar. Die B-Fraktionen bestehen aus pufferlöslichem, schnell im Pansen verfügbarem Reinprotein (B1), pufferunlöslichem, an Neutrale Detergentien-Faser (NDF) gebundenes leicht lösliches Reinprotein mit mittlerem UDP-Anteil (B2) und zellwandgebundenem (ADF), leicht löslichem Reinprotein mit mittlerer bis langsamer Abbaubarkeit im Pansen (B3). Die B3-Fraktion stellt den größten Anteil an pansenbeständigem Protein. Das an die Zellwand gebundene Reinprotein der C-Fraktion ist unlöslich und wird als unverdaulich angesehen.

Der Anteil an Reinprotein-N in der Silage, also der Fraktionen B1 bis B3, sollte mehr als 50 % betragen, der Anteil der C-Fraktion am Reinprotein-N unter 10 %.

Grafik Rohprotein Luzerne- bzw. KleegrasmischungVergleicht man die getesteten Luzerne- und Klee-Varianten, wird in der Regel der Anteil von 50 % Reinprotein-N nur in den getrockneten Heu-Varianten erreicht. In den Silagen lag der Anteil der Fraktion A zwischen 46,4 und 67,0 %. Nach den vor-liegenden Analyseergebnissen des LHL liegen die Rein- und Mischkulturen auf ähnlichem Niveau. Auch die Esparsette könnte hier zukünftig eine Rolle spielen. Ergebnisse der Rohproteinfraktionierung weisen Anteile der A-Fraktion von unter 40 % in der Silage auf bei UDP-Anteilen von knapp 60 %. Dazu tragen proteinbindende Substanzen wie kondensierte Tannine bei. Kondensierte Tannine sind pflanzliche Polyphenole, die stabile Verbindungen mit Proteinen eingehen können.

Kurze Feldliegezeiten

luzerne-aus-rundballen-ladeHinsichtlich der Reduzierung des Proteinabbaus und damit höheren Gehalten an Reinprotein ist neben der künstlichen Trocknung auch die Feldliegezeit ausschlaggebend. Während der Feldliegezeit kommt es zwar schon zu einem geringfügigen Abbau von Reineiweiß, der jedoch durch die Silierung selbst stärker beeinflusst wird.

Der Einfluss von schnellem Anwelken in der Sonne und langsamen Anwelken im Schatten auf die Proteinqualität wurde in einem Versuch mit Wiesengras geprüft (Edmunds et al. 2012). Die Energiegehalte nahmen mit zunehmendem TM-Gehalt, bedingt durch Feldverluste, ab. Die Rohproteingehalte wurden vom Trocknungsprozess selbst nicht beeinflusst. Der Anteil an UDP stieg, bei gleichzeitiger Reduzierung des NPN, an. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass sich eine kurze Feldliegezeit und ein schnelles Anwelken auf 30 bis 40 % TM positiv auf die Proteinqualität auswirken. Dazu gehören ein schneller und konsequenter Sauerstoffabschluss nach dem Befüllen des Silos und eine schnelle pH-Wert-Absenkung auf < 4,0. Siliermittel können dabei unterstützen und sich positiv auf den Gehalt an UDP auswirken. Bei TM-Gehalten über 25 % empfehlen sich Milchsäurebakterien, bei TM-Gehalten unter 25 % und schwer silierbarem Material sollten chemische Siliermittel zum Einsatz kommen.

Proteinqualität beeinflusst Rationskosten

Hinsichtlich der Rationskosten ist die Proteinqualität ebenfalls zu beachten. Umgerechnet auf die Ergänzung proteinarmer Silagen durch Proteinzukauf wie z.B. Rapsextraktionsschrot (RES) würden dies bei einer Grassilage mit 120 bzw. 140 g nXP/kg TM theoretisch ca. 3 Cent Mehrkosten je kg TM, bedeuten. Bezogen auf eine Grobfutter-TM-Aufnahme von 12–13 kg/Kuh/Tag sind dies knapp 38 Cent pro Tag!

In der Ration ersetzen z.B. 2,0 kg TM Luzernesilage ca. 0,9 kg Sojaextraktionsschrot und 1,4 kg Stroh bzw. 1,1 kg Rapsextraktionsschrot und 1,2 kg Stroh hinsichtlich der Versorgung mit Rohprotein, Energie und Struktur.

In einem 10-wöchigen Fütterungsversuch mit Fleckviehkühen an der LFL in Grub wurden in der Versuchsgruppe knapp 7,5 kg TM Luzernesilage/Tier/Tag gefüttert. Die Luzernesilage ersetzte knapp 50 % der Maissilage sowie Heu und Gerstenstroh gegenüber der Kontrollgruppe. Die Futteraufnahme beider Gruppen war identisch (21,8 kg TM/Tier/Tag). Die nicht statistisch abzusichernde Differenz in der Milchleistung (-1,3 kg/Tier/Tag) der Versuchsgruppe bei etwa identischen Milchinhalts-stoffen entsprach der geringeren Energieaufnahme (-6,0 MJ NEL/Tier/Tag). Der höhere Milchharnstoffgehalt (+75 mg/l) erklärt sich durch die höhere RNB der Versuchsgruppe. Weitere Fütterungsversuche in Haus Riswick und an der LLFG in Iden bestätigen die positive Wirkung von Luzerne-Heu auf die Futteraufnahme bei Milchkühen.

Fazit

Grasprodukte spielen in der Verfütterung an Kühe nach wie vor eine große Rolle. Hier rücken, vor allem unter dem Gesichtspunkt der Verbesserung der Eiweißversorgung und -qualität, Grobfutter wie Luzerne oder Kleegras in den Vordergrund.

Um einen möglichst großen Anteil des im Grünfutter enthaltenen Reinproteins auch in der Silage zu erhalten, bieten sich verschiedene Maßnahmen an. Tanninhaltige Leguminosen leisten ebenfalls einen Beitrag zu einer Erhöhung des Anteils an unabgebautem Rohprotein, das gerade bei höher leistenden Milchkühen einen limitierenden Faktor darstellt. Neben kurzen Feldliegezeiten, einem schnellen Anwelken und der Konservierungsart kann auch der Einsatz von Siliermitteln zur Verbesserung der Proteinqualität beitragen. Zudem trägt ein Reduzieren der Nicht-Protein-Stickstoff-Verbindungen (NPN) in der Silage zur Gesunderhaltung der Tiere und zu einer Entlastung der Umwelt bei.