Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Rinder

Nachlese zum Seminar „Homöopathie beim Milchvieh“

Nutztierhomöopathin Karin Schoenen-Schragmann informierte über 40 Teilnehmer zu Grundsätzen und konkreten Fallbeispielen der Homöopathie beim Milchvieh.

Zunächst verwies sie auf ein förderliches Umfeld einer homöopathischen Behandlung: So sei etwa ein hornstärkendes Mittel für die Klauen wenig wirksam, wenn gleichzeitig nichts an den nassen, verschmutzten Laufgängen geändert werde – Homöopathie könne schlechtes Management nicht ausgleichen.

Gute Beobachtung als Voraussetzung

Für eine erfolgreiche homöopathische Behandlung müssten die Tiere genau beobachtet werden. So sei es für die Behandlung das Kälberdurchfalls wichtig, diesen genau zu beschreiben (zum Beispiel Farbe, Geruch und ob er blutig ist). Auch in welchem Zusammenhang (Wetter, Zähne, Futterumstellung) der Durchfall auftritt und wie es dem Kalb dabei geht (hat es Krämpfe, Gurgeln im Bauch, fühlt es sich kalt an?), sind wertvolle Hinweise für die Auswahl des „passenden“ Homöopathikums. „Denn es gibt nicht das Mittel gegen Durchfall, es gilt aufgrund der wahrgenommenen Details das jeweils Richtige zu finden“ betonte Schoenen-Schragmann.

Eines der auch bei Durchfall in Frage kommenden homöopathischen Mittel ist Arsen. „Dies ist wie manch andere Ausgangssubstanz giftig und kann erst durch Potenzierung gefahrlos eingesetzt werden“, erläutert die Referentin. Dabei wird ein Tropfen der Ausgangssubstanz / Urtinktur mit der entsprechenden Menge Alkohol gemischt und verschüttelt. Dieser Vorgang wird entsprechend der geforderten Potenzstufe wiederholt. Im Kuhstall wird überwiegend die C 30 Potenz eingesetzt, gelegentlich C 200. D steht für Verdünnung im Verhältnis 1:10, C für Verdünnung im Verhältnis 1:100.

Gesetzliche Vorgaben beim Homöopathika-Einsatz an Tieren einhalten

  • Die Mittel müssen für die jeweilige lebensmittelliefernde Tierart zugelassen sein, sonst bedarf es der Umwidmung durch den Tierarzt mit der entsprechenden Indikation. Sprechen Sie mit Ihrem Tierarzt oder auch mit dem Kreisveterinär darüber.
  • Die Anwendung muss ins Bestandsbuch eingetragen werden.
  • Es besteht keine Wartezeit.

Anwendung von Homöopathika im Kuhstall

Homöopathische Stallapotheke - griffbereit im Melkstand
Homöopathische Mittel sind preisgünstig. Sie werden über die Schleimhäute aufgenommen. Im landwirtschaftlichen Betrieb werden vor allem Globuli oder Lösungen eingesetzt. So können zum Beispiel Homöopathika in Wasser aufgelöst, mit Alkohol konserviert und mittels einer Sprühflasche auf die Nasenschleimhaut von Kälbern aufgesprüht werden. Dabei kommen laut Referentin auf etwa 2/3 Wasser und 1/3 Korn / Alkohol 20 bis 30 Globuli. Diese Mischung sei einige Wochen haltbar. Kühen im Melkstand würden jeweils 10-15 Globuli auf die Scheidenschleimhaut verabreicht.

Ein wichtiges Mittel der homöopathischen Stallapotheke ist Aconitum C 30 (Sturmhut). Dieses wird vor allem zu Beginn einer Erkrankung eingesetzt. Wenn z. B. im Kälberstall das erste Kalb hustet, können alle Kälber der Gruppe mit Aconitum per Sprühflasche behandelt werden. Leitsymptome seien die plötzlichen Erkrankungen, die, akut, durch kalten Wind oder Schreck / Schock auftreten. Auslöser sind oft Zugluft, kalter Wind, aber auch Schock oder Schreck durch Geburt, Klauenpflege sowie Enthornen. Dies gilt auch für eine plötzlich auftretende Mastitis, mit prallem und deutlich warmen Euter – am Abend zuvor war noch alles ok. Typisch ist die Überempfindlichkeit der Kuh gegen Licht, Geräusche, Wärme. Sie will nicht berührt werden, das Milchsekret ist kaum verändert. Hier kann Aconitum C 30 helfen, 10 Globuli in die Scheide.

Belladonna C 30 (Tollkirsche) ist ein mögliches Folgemittel von Aconitum, wenn dieses zu spät kam, oder nicht half. Belladonna hilft bei Mastitis mit Fieber und großen Schmerzen, bei Lahmheit mit Entzündung und Schmerz, Lungenentzündung der Kälber. Die Kuh ist übererregt, sehr durstig, die Pupillen sind erweitert, gerade auch bei Mastitis unmittelbar nach der Geburt sowie abgegrenzten Entzündungen an anderen Körperstellen.

Im Fall geplanter Eingriffe wie dem Klauenschneiden oder Enthornen, könne Aconitum C 30 zusammen mit Arnica C 200 bereits im Voraus gegeben werden. Arnica C 200 wirkt laut der Referentin schmerzstillend und wundheilungsfördernd und sollte nach schweren Geburten oder OPs sofort gegeben werden, auch bei Verletzungen durch Hornstöße. Die Leitsymptome: körperliche und psychische Traumata, Blutungen, Verrenkungen, Prellungen oder Blutergüsse.

Um Krankheiten bei den Tieren frühzeitig wahrzunehmen und darauf reagieren zu können, legt Frau Schoenen-Schragmann ihren Zuhörern ans Herz, sich regelmäßig jedes Tieres mit dem „Kopf-zu-Fuß-Scan“ genau anzusehen. Beginnend an Maul (Schaum) und Nase (feucht, klarer oder gelber Schleim) über die Augen, Ohren (kalt, warm, hängend, eins oder beide) über Atmung, Pansen, Durchfall, Ausfluss bis zum Bewegungsapparat, den Füßen und Klauen, Lahmheit (wo, woher) und Abschürfungen. Mit etwas Übung, so die Referentin, sei dies in wenigen Sekunden je Tier machbar.

Kuh mit Euterödem
Genaues Hinsehen brachte auch die Lösung bei einer nach der Geburt festliegenden Kuh, ein Mangel an Calcium / Phosphor, Selen, oder eine Verletzung der Hüfte / Beine war ausgeschlossen worden. Jemand fand die Kuh sehe „traurig“ aus und brachte ihr Kalb zu ihr – mit Erfolg, die Kuh stand auf. Ignatia C 30 wirkte hier unterstützend.

Vor dem Kalben weisen manche Kühe ein ausgeprägtes Euterödem auf, Wärme verschlechtert die Symptomatik. Die Kuh liegt nicht auf krankem Euter, Kühlen und Bewegung bringen Besserung. Hier hilft Apis C 30 (Gift der Honigbiene), das Mittel wird bei allen Ödemen eingesetzt, auch bei Mastitis mit heißem, schmerzhaften, ödematösen Euter.

Der Einstieg: mit wenigen Mitteln beginnen

Eine gute Fortbildung sieht die Referentin für einen erfolgreichen Einsatz von Homöopathika als unerlässlich an und vor allem der Austausch unter Kollegen sei hilfreich. Wer erste eigene Erfahrungen mit dem Einsatz von Homöopathie machen möchte, sollte zunächst mit wenigen Mitteln in klaren Situationen beginnen, rät sie.

Hier einige Tipps:

  • Globuli nicht in die bloße Hand nehmen, denn der aufgesprühte Wirkstoff könnte so auf die Hand übergehen, möglicherweise wird die Wirkung beim Tier dadurch vermindert. Hier helfen beispielsweise Einmalhandschuhe.
  • Die gleichzeitige Anwendung von ätherischen Ölen, wie in Eutersalben oder Hustenmitteln, sollte vermieden werden. Das kann die Wirkung des Homöopathikums mindern oder aufheben.
  • Wenn das eingesetzte Mittel nicht wirkt, wurde wohl nicht das passende Mittel für die zu behandelnde Symptomatik gefunden. Eine Wirkung sollte im Akutfall nach 30 Minuten, bei weniger schwierigen Fällen nach einem Tag einsetzen, zumindest eine Verbesserung des Zustands erkennbar sein. Falls nicht, bringt es nichts, dieses Mittel zu wiederholen.
  • Wenn sich die Symptome ändern, ist ein Mittelwechsel zu überlegen. Ist ein Symptom verschwunden, beispielweise das Euter der behandelten Kuh ist nicht mehr heiß, jedoch hat sie jetzt Flocken. In diesem Fall ist ein anderes Mittel erforderlich.

„Gerade, wenn Sie mit dem Einsatz der Homöopathie beginnen, sollten Sie bei einer Erkrankung wie üblich den Tierarzt rufen, um das Tier nicht unnötig leiden zu lassen“, empfiehlt die Referentin. Bis dieser komme, müsse man jedoch nicht tatenlos abwarten, sondern könne mit dem passenden homöopathischen Mittel „Erste Hilfe“ leisten. Wurde nicht das richtige Mittel getroffen, ist nichts verloren, falls schon, habe man seinem Tier Leiden erspart. Schoenen-Schragmann betonte: „Es ist notwendig, jede schwerwiegende oder auffällige Erkrankung durch ihren Hoftierarzt abzuklären. Es sei jedoch immer möglich, erkrankte Tiere zusätzlich zur tierärztlichen Behandlung homöopathisch zu begleiten.“

Das Einsteigerseminar „Homöopathie beim Milchvieh“ wurde von André Peter, LLH Wetzlar und Marina Lang, LLH Petersberg Anfang November veranstaltet und war mit 41 interessierten Teilnehmern gut besucht.


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